21 Mrz 2024

Pflichtteilsrecht – die Rechte des Enterbten

Auch wenn die meisten Menschen wissen, dass sie bei der Gestaltung ihres Testaments grundsätzlich frei sind („Der Erblasser kann den Erben bestimmen“, § 1937 BGB), ist ihnen doch zumeist bewusst, dass es gewisse Grenzen dieser Freiheit gibt. Insbesondere die Kinder und der Ehegatte sind durch das Pflichtteilsrecht gesetzlich davor geschützt, im Fall des Todes eines Elternteils oder des Ehepartners völlig unberücksichtigt zu bleiben.

Aber wie wird jemand eigentlich enterbt? Und wie genau ist das Pflichtteilsrecht ausgestaltet? Im Folgenden sollen die häufigsten Fragen zum Thema Pflichtteilsrecht beantwortet werden.

Wie kann man jemanden enterben?

Bevor man jemanden enterbt, muss geklärt werden, wer im Fall der gesetzlichen Erbfolge – also der Erbfolge, die mangels Vorhandenseins eines Testaments zum Zuge kommt – Erbe wird. Nehmen wir an, Sie sind verheiratet und haben zwei Kinder, dann erben im Todesfall der Ehegatte und die Kinder nach deutschem Recht in der Regel die Hälfte (jedes Kind also ein Viertel).

Soll hier eines der Kinder, aus welchem Grund auch immer, nicht Erbe werden, kann es enterbt werden. Dies setzt allerdings voraus, dass ein wirksames Testament vorliegt. Ein wirksames Testament kann am einfachsten in Form einer eigenhändig geschriebenen und unterschriebenen Erklärung, § 2247 BGB erstellt werden (möglich, aber nicht erforderlich, ist natürlich auch eine notarielle Beurkundung).

Muss die Enterbung begründet werden?

Die wirksame Enterbung durch ein eigenhändiges Testament setzt nicht voraus, dass hierfür eine Begründung angegeben wird. Der Erblasser muss sich hierfür nicht rechtfertigen. Es muss nur deutlich werden, dass die betreffende Person eben nicht Erbe werden soll.

Wie kann die Enterbung formuliert werden?

Mögliche Formulierungen, um von zwei potentiellen Erben X und Y einen auszuschließen sind:

„X soll nichts erben“ oder „X soll nur den Pflichtteil bekommen“.

X ist aber auch enterbt, wenn formuliert wird:

„Y soll Alleinerbe sein“. Oder auch nur: „Y soll alles haben“.

In den ersten beiden Formulierungen ist die Enterbung direkt zum Ausdruck gebracht, in den beiden anderen Formulierungen folgt sie aus der Alleinerbenstellung von Y.

Spezialfall Berliner Testament

Eine Enterbung beinhaltet regelmäßig auch das häufig von Ehegatten gemeinschaftlich erstellte sog. Berliner Testament. In einem Berliner Testament setzen sich die Ehegatten zunächst wechselseitig als Alleinerben ein. Die Kinder sollen erst nach dem Tod beider Elternteile erben. Daraus folgt, dass die Kinder für den ersten Todesfall, also den Tod des erstversterbenden Elternteils, auf den Pflichtteil gesetzt sind.

Zieht die Enterbung immer ein Pflichtteilsrecht nach sich?

Sind ein Ehegatte oder Kinder bzw. Kindeskinder vorhanden, hat deren Enterbung zur Folge, dass zumindest ein Pflichtteilsanspruch besteht. Obwohl der Verstorbene dem Enterbten also in der Regel gar nichts zukommen lassen wollte, hat dieser Anspruch auf die Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils.

Beispiel: Hätte der Enterbte im Fall der gesetzlichen Erbfolge eine Immobilie im Wert von 100.000 € geerbt, kann er nun vom testamentarischen Erben 50.000 € verlangen.

Sind weder ein Ehegatte noch Kinder oder Kindeskinder vorhanden, und leben auch die Eltern nicht mehr, zieht die Enterbung gesetzlicher Erben demgegenüber keinen Pflichtteilsanspruch nach sich. Dies betrifft insbesondere die Geschwister des Verstorbenen und weiter entfernte Verwandte. Diese können zwar gesetzliche Erben sein, im Fall ihrer Enterbung gehen sie aber gänzlich leer aus.

Wer hat ein Recht auf den Pflichtteil?

Nur die nächsten Angehörigen des Verstorbenen haben ein Pflichtteilsrecht. Insoweit ist die grundsätzliche Freiheit des Erblassers, zu bestimmen, wer Erbe wird und wer nicht, also beschränkt.  Pflichtteilsberechtigt sind auf jeden Fall die Kinder und der Ehegatte des Erblassers. Pflichtteilsberechtigt können zudem unter Umständen auch die Eltern des Verstorbenen sein. Diese werden aber in der Regel durch die Kinder des Erblassers von der Erbfolge, und damit auch vom Pflichtteilsrecht ausgeschlossen. Pflichtteilsberechtigt können ferner auch Kindeskinder sein, wenn deren Eltern nicht mehr leben.

Wie hoch ist der Pflichtteil?

Die Höhe des Pflichtteils bestimmt sich nach dem gesetzlichen Erbteil und beläuft sich stets auf die Hälfte. Hätte der Enterbte bei gesetzlicher Erbfolge also die Hälfte des Erbes zugestanden, ist es infolge der Enterbung nur noch Viertel. Hätte der Enterbte bei gesetzlicher Erbfolge 50.000 € geerbt, sind es jetzt nur noch 25.000 €.

Bin ich als Pflichtteilsberechtigter Erbe zweiter Klasse?

Man könnte annehmen, dass der Pflichtteilsberechtigte eine Art Erbe zweiter Klasse ist, weil er von seinem gesetzlichen Erbteil nur die Hälfte erhält. Die Rechtsfolgen der Enterbung gehen aber noch weiter: Anders als die Erben wird der Pflichtteilsberechtigte nicht Rechtsnachfolger des Verstorbenen. Er wird auch nicht Mitglied einer Erbengemeinschaft und damit Miteigentümer des Nachlasses. Als Nicht-Erbe hat er insbesondere auch keinen Zugriff auf die Unterlagen des Erblassers. Er kann z.B. von Banken keine Auskünfte verlangen. Erben können das.

Wie kommt man an seinen Pflichtteil?

Während der Erbe mit dem Tod des Erblassers automatisch Eigentümer des Nachlasses wird, muss der Pflichtteilsberechtigte seinen Anspruch erst noch durchsetzen. Das Nachlassgericht ist dem Pflichtteilsberechtigten dabei nicht behilflich, dieses stellt ggf. nur fest, wer Erbe ist, kümmert sich aber nicht um die Enterbten. Um seinen Pflichtanteil zu erhalten muss sich der Pflichtteilsberechtigte an den (oder die) Erben wenden. Hierfür hat er ab Kenntnis von Erbfall und Enterbung drei Jahre Zeit. Danach verjährt der Anspruch.

Welche Rechte hat der Enterbte gegenüber den Erben?

Da der Pflichtteilsberechtigte, anders als der Erbe, der ja Rechtsnachfolger des Verstorbenen ist, nicht die Möglichkeit hat, sich einen Überblick über den Nachlass zu verschaffen, steht ihm das Gesetz in § 2314 BGB einen Auskunftsanspruch gegen den Erben zu. Der Pflichtteilsberechtigte kann vom Erben verlangen, dass dieser ein Nachlassverzeichnis erstellt, dass sämtliche Vermögenswerte umfasst. Sollte sich darunter Vermögen befinden, dessen Wert ungewiss ist (z.B. eine Immobilie), hat der Pflichtteilsberechtigte darüber hinaus das Recht, vom Erben die Einholung eines Gutachtens zur Wertermittlung zu verlangen.

An diesem Punkt kommt es in der Praxis häufig vor, dass anwaltliche Hilfe in Anspruch genommen werden muss, weil der Erbe seiner Auskunftspflicht nicht oder nur schleppend oder offensichtlich unvollständig nachkommt.

Welche Möglichkeiten bestehen, wenn der Erbe den Pflichtteil mangels Masse nicht bezahlen kann?

Es kann vorkommen, dass der Nachlass laut Auskunft des Erben nicht werthaltig ist, so dass der Pflichtteilsanspruch ins Leere gehen würde, obwohl dem Pflichtteilsberechtigten bekannt ist, dass zumindest vor kurzem noch Vermögen vorhanden war. Hier kommt häufig der Verdacht auf, dass der Erblasser den Pflichtteilsberechtigten nicht nur enterbt, sondern auch noch dadurch geschädigt hat, dass er die Erbmasse vor seinem Tod gezielt reduziert hat.

Der Erbe ist aus diesem Grund verpflichtet, dem Pflichtteilsberechtigten auch Auskunft über die Schenkungen zu erteilen, die der Verstorbene in den letzten zehn Jahren vor seinem Tod (häufig an den Erben selbst) gemacht hat. Diese Schenkungen sind dann dem Erbe im Wege der Pflichtteilsergänzung wieder zuzurechnen, § 2325 BGB.

Wie berechnet man die Ergänzung des Pflichtteils?

Die Höhe der Zurechnung hängt davon ab, wie lange die Schenkung schon her ist. Denn einerseits darf der Erblasser zu Lebzeiten ja frei über sein Vermögen verfügen, andererseits soll das Pflichtteilsrecht nicht völlig ausgehöhlt werden. Aus diesem Grund sieht das Gesetz eine Staffelung vor: Sind seit der Schenkung schon zehn oder mehr Jahre vergangen, kommt eine Pflichtteilsergänzung nicht in Betracht. Ist die Schenkung zwischen neun und zehn Jahren her, werden noch 10 % des Wertes der Schenkung berücksichtig, ist die Schenkung zwischen acht und neun Jahren her sind es 20 % usw. Ist die Schenkung erst ein Jahr oder weniger vor dem Tod des Erblassers erfolgt, wird sie in vollem Umfang dem Nachlass zugerechnet.

In welchen Fällen besteht gar kein Pflichtteilsanspruch?

Die Möglichkeiten, einen Pflichtteilsberechtigten, also den Ehegatten, die Kinder oder ggf. auch die Eltern, nicht nur zu enterben, sondern ihm auch den Pflichtteil zu entziehen, sind äußerst beschränkt. In der Regel ist dies nach § 2333 BGB nur möglich, wenn der Pflichtteilsberechtigte eine schwere Straftat begangen oder versucht hat. In Betracht kommt daneben aber auch eine böswillige Verletzung der Unterhaltspflicht gegenüber dem Erblasser.

Ebenso wie für die Enterbung ist Voraussetzung für die Entziehung des Pflichtteils, dass diese durch eigenhändiges Testament (oder notarielle Urkunde) verfügt wurde. Die Straftat an sich ist also nicht ausreichend.

Soweit also der grundlegende Überblick zur Rechtslage im Bereich Enterbung und Pflichtteilsrecht. Natürlich ergeben sich in der Praxis noch weitaus komplexere Fragestellungen rund um das Pflichtteilsrecht. Sollten Sie in solchen Fällen anwaltlichen Beistand benötigen, stehe ich Ihnen als Fachanwalt für Erbrecht in Berlin gerne zur Verfügung.

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